Eines der grundlegenden Prinzipien des deutschen Unternehmenssteuerrechts besteht darin, dass Dividenden zwischen Kapitalgesellschaften zu 95 % steuerfrei sind. Bei ausländischen Muttergesellschaften darf der Staat jedoch 25 % Kapitalertragsteuer auf die volle Dividende einbehalten, sofern die Beteiligung nicht mehr als 10 % beträgt (Streubesitzdividenden).
Der Europäische Gerichtshof sah hierhin eine Ungleichbehandlung gegenüber inländischen Muttergesellschaften, die dadurch unzulässigerweise bevorteilt würden. Deutschland hatte zwei Möglichkeiten, darauf zu reagieren:
1. ausländische Muttergesellschaften von der Steuer freizustellen oder
2. eine Mindestbeteiligungsgröße für inländische Muttergesellschaften einzuführen.
Sie vermuten richtig, dass sich der Staat für die zweite Variante entschieden hat. Für inländische Kapitalgesellschaften, die untereinander beteiligt sind, gilt: Dividenden sind nur dann zu 95 % steuerfrei, wenn die zugrundeliegende Beteiligung zu Beginn des Kalenderjahres mindestens 10 % beträgt.
Und wie ist aber der Fall gelagert, wenn im laufenden Kalenderjahr eine Beteiligung erworben wird?
Hier hilft eine Regelung des Körperschaftsteuergesetzes. Laut dieser gilt eine Beteiligung als zu Beginn des Kalenderjahres erworben, sofern im laufenden Jahr ein Anteilspaket von mindestens 10 % erstanden wird.
Die Oberfinanzdirektion Frankfurt weist allerdings darauf hin, dass diese Rückwirkungsfiktion nur dann greift, wenn mindestens 10 % auf einmal erworben werden. Denn die Dividende ist auch dann steuerpflichtig, wenn durch gestückelte Ankäufe am Ende des Jahres eine Gesamtbeteiligung von 10 % und mehr erreicht wird.