Seit 2012 werden volljährige Kinder nach dem Abschluss ihrer erstmaligen Berufsausbildung oder ihres Erststudiums nur noch dann steuerlich bei den Eltern berücksichtigt, wenn sie keiner Erwerbstätigkeit von mehr als 20 Wochenstunden nachgehen. Arbeiten sie in größerem Umfang, gehen den Eltern Kindergeld und Kinderfreibeträge verloren.
In einem begünstigenden Urteil hat der Bundesfinanzhof (BFH) jedoch klargestellt, dass die Familienkasse bzw. Finanzämter nicht nach jedem ersten berufsqualifizierenden Abschluss des Kindes in die Prüfung der Erwerbstätigkeit einsteigen dürfen.
Nach Ansicht der Bundesrichter kann bei mehraktigen Ausbildungsmaßnahmen auch ein erst später erlangter weiterführender Abschluss die ,, abgeschlossene Erstausbildung“ im Sinne des Gesetzes sein mit der steuerlichen Folge, dass das Kind bis dahin ohne Wochenstundenbeschränkung arbeiten darf und den Eltern noch die kindbedingten Vergünstigungen zustehen.
Den Richterspruch hatten Eltern bewirkt, deren Sohn nach seiner Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik zunächst vier Monate in seinem erlernten Beruf (in Vollzeit) gearbeitet hatte, bis er schließlich an einer Fachoberschule für Technik aufgenommen worden war. Von vornherein hatte der Sohn den weiterführenden Abschluss eines Elektrotechnikers oder -ingenieurs im Visier.
Der BFH sprach den Eltern für die vier Arbeitsmonate einen Kindergeldanspruch zu, da der Sohn nach Gerichtsmeinung mit dem Abschluss seiner Elektronikerausbildung noch keine erstmalige Berufsausbildung im Sinne des Gesetzes abgeschlossen hatte, so dass eine Erwerbstätigkeitsprüfung noch nicht erfolgen durfte. Denn er hatte sein angestrebtes Berufsziel noch nicht erreicht und sich in einer mehraktigen Ausbildungsmaßnahme befunden. Der Besuch der Fachoberschule war lediglich weiterer Bestandteil eines einheitlichen Ausbildungsganges und stand in engem Zusammenhang zur ersten Ausbildung.
Hinweis: Die Prüfung der Erwerbstätigkeit kann bei mehraktigen Ausbildungsmaßnahmen also erst durch einen späteren Berufsschulabschluss ausgelöst werden. Der BFH setzt für diese günstige Behandlung aber unter anderem voraus, dass die einzelnen Ausbildungsabschlüsse in einem engen zeitlichen und inhaltlichen Zusammenhang stehen, das Kind von vornherein ein höheres Berufsziel verfolgt und zielstrebig mit dem nächsten Ausbildungsabschnitt beginnt.