Ob ein Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte hat, ist aus steuerlicher Sicht sehr bedeutsam, denn von dieser Frage hängt ab, in welcher Höhe er für seine Pendelfahrten zur Arbeit Werbungskosten abziehen oder sein Arbeitgeber steuerfreie Reisekostenerstattungen leisten kann.
Ob ein Arbeitnehmer eine erste Tätigkeitsstätte unterhält, richtet sich seit 2014 primär nach den dienst- oder arbeitsrechtlichen Festlegungen des Arbeitgebers. Damit ist an die Stelle der regelmäßigen Arbeitsstätte die erste Arbeitsstätte getreten. Sofern der Arbeitgeber ihn einer ortsfesten betrieblichen Einrichtung dauerhaft zuordnet, liegt dort die erste Tätigkeitsstätte.
Ohne eine solche Zuordnung bestimmt sich die erste Tätigkeitsstätte anhand des zeitlichen Umfangs der Arbeitseinsätze des Arbeitnehmers. Die erste Tätigkeitsstätte liegt dann dort, wo der Arbeitnehmer typischerweise arbeitstäglich oder je Arbeitswoche zwei volle Arbeitstage oder mindestens ein Drittel seiner vereinbarten regelmäßigen Arbeitszeit tätig werden soll.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in den nachfolgenden Entscheidungen das steuerliche Reisekostenrecht, das seit 2014 den Werbungskostenabzug für nicht ortsfest eingesetzte Arbeitnehmer einschränkt, als verfassungsgemäß beurteilt. Zudem hat der BFH die Folgen der geänderten Rechtslage für mehrere Berufsgruppen sowie für befristet Beschäftigte klargestellt.
Die erste Entscheidung betraf einen Polizisten, der vor dem BFH mit dem Versuch scheiterte, seine arbeitstäglichen Fahrten zur Polizeiinspektion in seiner Einkommensteuererklärung 2015 nach Reisekostengrundsätzen abzusetzen und Verpflegungsmehraufwendungen geltend zu machen.
Er war im Streifendienst tätig und hatte seine Polizeiinspektion arbeitstäglich aufgesucht, um dort seine Uniform anzuziehen, an Dienstantrittsbesprechungen teilzunehmen, Schreibarbeiten zu erledigen und seinen Streifendienst anzutreten.
Die Bundesrichter urteilten, dass der Polizist am Ort der Polizeiinspektion seine erste Tätigkeitsstätte begründet hat, weil er ausweislich einer Arbeitgeberbescheinigung dieser dauerhaft dienstrechtlich zugeordnet war.
Hinweis: Unerheblich ist in solchen Fällen der qualitative Tätigkeitsschwerpunkt der Tätigkeit des Arbeitnehmers. Es genügte für die Begründung einer ersten Tätigkeitsstätte in der Polizeiinspektion, dass der Polizist dort in geringem Umfang Tätigkeiten erbrachte. Im Ergebnis konnte er für die Fahrten dorthin also nur die Entfernungspauschale absetzen.
Im weiteren Fall einer Pilotin hat der BFH entschieden, dass eine Pilotin ihre erste Tätigkeitsstätte an ihrem Heimatflughafen begründet und ihre Pendelfahrten dorthin somit nur über die Entfernungspauschale geltend machen kann.
Die Frau war als Co-Pilotin (First Officer) im internationalen Flug- verkehr tätig und hatte im Streitjahr 2014 sämtliche Flugeinsätze an ihrem Heimatflughafen begonnen und beendet. Der BFH verwies darauf, dass fliegendes Personal, das von seinem Arbeitgeber arbeitsrechtlich dauerhaft einem Flughafen zugeordnet ist und auf dem Flughafengelände zumindest in geringem Umfang arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeiten erbringt, auch dort seine erste Tätigkeitsstätte hat.
Da die Pilotin in den Räumen der Airline (auf dem Flughafengelände) auch Tätigkeiten im Zusammenhang mit der Vor- und Nachbereitung der Flüge erbrachte, verfügte sie dort über eine erste Tätigkeitsstätte. Unerheblich war für das Gericht deshalb, dass sie überwiegend im internationalen Flugverkehr tätig war.
In einem weiteren Urteil vom selben Tag hat der BFH entschieden, dass ein in der Sicherheitskontrolle eines Flughafens tätiger Arbeitnehmer seine erste Tätigkeitsstätte ebenfalls auf dem Flughafengelände begründet. Obgleich der Arbeitnehmer im Urteilsfall auf dem Flughafengelände an ständig wechselnden Kontrollstellen eingesetzt war, die wenige 100 m bis zu 2,5 km vom Firmensitz seines Arbeitgebers entfernt lagen, waren die Arbeitseinsätze allesamt noch einer einheitlichen großräumigen Tätigkeitsstätte (= dem Flughafen) zuzuordnen.
Hinweis: Auch ein großflächiges und ensprechend infrastrukturell erschlossenes Gebiet (z.B. eine Werksanlage, ein Betriebsgelände, ein Bahnhof oder Flughafen) kann steuerlich als einheitliche erste Tätigkeitsstätte gewertet werden.